von Wolfgang Oswald
Warum kamen die Menschen hierher, und begannen zu siedeln?
Gehen wir in unseren Gedanken in der Geschichte einige tausend Jahre zurück.
Lange vor der Völkerwanderung (diese war um 375 n. Ch., und begann mit dem Hunnensturm) waren es germanische Stämme, die hier einwanderten. Bereits Tacitus, der den Feldzug der Römer nördlich der Alpen beschrieb, vermerkte um 100 „Die Germanen selbst möchte ich für Ureinwohner halten und keinesfalls für Mischlinge infolge von Zuwanderung und gastlicher Aufnahme fremder Stämme.“
Die Hasenburg, obwohl heute nur noch in Fragmenten erhalten, ist die überregional bedeutendste Burganlage aus dieser Zeit im Eichsfeld. Der Name Hasenburg geht auf das germanische Wort „asenbere“ Götterberg zurück.
Seit der Jungsteinzeit (sie begann um 8000 v. Chr. und endete 3000 v. Chr.) bis ins hohe Mittelalter (12. Jh.) ist eine Besiedlung dieser „Burg“ nachgewiesen.
Der Schüler Franz Seidenek aus Ferna fand 600 Meter südlich der Puchmühle eine „breitnackige Steinhacke“ aus „vorgeschichtlicher Zeit“, so informiert Dr. Johannes Müller in der Zeitschrift „Unser Eichsfeld“ im Jahr 1936. Das „Fundstück“ wurde von Lehrer Eckhardt aus Ferna im Museum zu Heiligenstadt abgegeben.
Die hier Eingewanderten waren also Menschen, die Getreideanbau und Haustierhaltung, die Tongefäße, Steinwerkzeuge und Gewebe, die Kupferverarbeitung und die Töpferscheibe, die das Rad und den Wagen kannten und die das Pferd bereits domestiziert hatten. Es waren also Menschen mit Sinn und Verstand. Sie lebten in Stammesverbänden, in Sippen und kannten das Gemeinwesen.
Der Hauptgrund für einen Stammesverband sein Gebiet zu verlassen und ein neues zu besiedeln, war die Sicherung der Nahrungsgrundlagen für die Sippe. Der Ackerbau und die Viehzucht waren noch nicht so ausgeprägt, wie das heute der Fall ist. Wenn der Boden nichts mehr her gab, das Wild weniger wurde, zog man dorthin, wo es reichlich vorhanden war – in ein neues Gebiet.
Das Eichsfeld – übrigens zu dieser Zeit hieß es vermutlich noch nicht so, erst 897 n. Chr. wird es in einer Urkunde erstmalig als solches erwähnt – war ein dicht bewaldetes Gebiet, durchzogen von vielen Bachläufen, die aus zahlreichen Quellen gespeist wurden. Dieses Gebiet war auch ein Grenzraum der ständig umstritten war zwischen Sachsen, Thüringen und Franken.
Wald bedeutete für seine Bewohner einen sicheren Schutz zu haben, bedeutete Wild und damit Nahrung, bedeutete aber auch, dass ausreichend Baumaterial vorhanden war, um die nötigen Behausungen zu errichten, Werkzeuge herstellen zu können und dass genügend Brennmaterial zur Verfügung stand. Und hier, um das Ohmgebirge herum waren eben diese Bedingungen gegeben.
Aus drei Quellen gespeist, entsprang die Katharine. Um den 25. November eines jeden Jahres (dem Katharinentag) führt sie wieder Wasser, während sie den Sommer über trocken ist. Dazu der Ramsbach und nicht zuletzt die Hahle, sorgten das ganze Jahr hindurch für ausreichend Nass. Ansiedlungen aus der Zeit vor Christus lassen sich aber heute an unserem Standort nicht mehr nachweisen. Wahrscheinlich war es eher ein Jagdgebiet derer, die bereits zu dieser Zeit in der Gegend der Hasenburg siedelten.
1062 wird die Siedlung Witzungen erstmals urkundlich erwähnt. Wintzingerode soll – so wird behauptet – eine „Tochtersiedlung“ der Wüstung Witzungen gewesen sein.
1100 war eben dieses Witzungen „wüst“, so sagen es die Geschichtsschreiber, und seine Bewohner haben ein Stück östlich davon den Ort Wintzingerode gegründet, d.h. Rodungen der Söhne des Winzo aus Witzungen.
Im frühen Mittelalter gab es keine, die Familien unterscheidende Namen, aber schon so etwas wie Familien-Vornamen. Erst mit Beginn des 12., 13. Jahrhunderts vollzog sich in großem Umfang die Wahl der Familien unterscheidenden Namen. Bei den sächsischen Königen herrschten die Namen Heinrich und Otto vor. Später nannten sich die Adeligen nach ihrem Stammsitz: Friedrich von Falkenburg oder Konrad von Greifenstein oder eben auch Bertholdus de Wintzingerotd, der aus Wint (Weinrich – Heirich) zin (seine) rode (Rodung) hervorging.
Die Ortsnamen sind also älter, als die der Geschlechternamen – der Familiennamen.
Zu dieser Zeit stand das Eichsfeld unter sächsischem Einfluss.
Die Winzo’s gründen einen neuen Ort und werden „Bürger“ 6. Januar 1204
Das Kloster Lippoldsburg verkauft dem Kloster Pöhlde den Zehnten in der Pfarrei Teistungenburg und in den Dörfern Ferna, Ickendorf, Teistungen und Wintzingerode.
Gedruckt: Wolf, Gesch. u. Beschreibung der Stadt Duderstadt, UB. Nr. 1 aus Or.
Regest: Dobenecker II Nr. 1259
Der lateinische Originaltext in einer Abschrift aus dem Buch “Urkundenbuch des Eichsfeldes” Teil I, Magdeburg 1933, S. 97 von Aloys Schmidt
In nomine sancte et individue trinitatis. Omnibus, ad quos presens scriptum pervenerit, in perpetuum. Sicut iustum est, ut ea, que perperam et improbe fiunt, in irrita revocentur, ita rationi consentaneum est, ut, que iuste et canonice ad profectus ecclesarium conficiuntur, debitum robur accipiant.
Sane noverit universitas vestra, qoud prepositus cum universo conventu de Luippoldesberch vendidit omne ius et omnes proventus, quos habuit in decima, que est in parrochia Destingeburc et in villis Verneda, Icgindorp, Destinge, Werovendingeroth, et nominatim ius, quod vulgo dicitur decime, cum omnibus suis appendiciis cenobio in Polithen. Et ne hec venditio, que pro utilitate utriusque ecclesie facta est, temere evacuetur et ad nihilum redigatur, auctoritate (Mog)untine ecclesie et nostra statuimus et sub anathemate interdicimus, ne quis eam infringere presumat, sigilli quoque nostri impressione hanc presentem (cartam) communiri precepimus.
Huius rei testes sunt : abbas de Northeim, abbas de Gerenrothe, prepositus de Winethe, Eckehardus sacerdos de Duderstad, Hartlev archipresbiter, comes Heithenric de Lutterberc, Hermannus de Rothe, Thideric vicedominus de Regenderoth, Thideric de Othra, Johannes de Gevere, Hugo de Marchia et alii quamplures. Acta sunt hec anno dominice ncarnationis millesimo ducentesimo quarto, VIII. idus ianuarii.
Hier die Übersetzung aus dem lateinischen Originaltext, von Frau A. Jünemann, Gymnasiallehrerin am staatlichen Gymnasium Worbis:
… Das Kloster Lippoldsberg hat das Recht am Zehnten, gewöhnlich decime genannt, und seinen Erträgen in der Pfarrei Destingeburc (Teistungenburg) und in den Dörfern Verneda (Ferna), Icgindorp (Ickendorf), Destinge (Teistungen), Werovendigeroth (Wintzingerode) dem Kloster Pöhlde verkauft. Der zu beiderseitigem Vorteil erfolgte Verkauf kann nicht ohne Grund rückgängig gemacht bzw. für nichtig erklärt werden.
Mit dem Einverständnis des Mainzer Erzstifts wird unter Kirchenbann gestellt, wer sich dem widersetzt. Durch aufdrücken unseres Siegels haben wir das hier Geschriebene bekräftigen lassen.
Zeugen hiervon sind:
- der Abt von Northeim
- der Abt von Gerenrothe (Gerode)
- der Probst von Winethe (Weende)
- der Priester Eckehardus von Duderstadt
- Erzpriester Hartlev (Hartlieb)
- Graf Heithenric (Heidenreich) von Lutterberg (Lauterberg)
- Hermann von Rothe (Rode)
- Vitzum Theric (Dietrich) von Rengenderoth (Rengelrode)
- Thideric cvon Othra (Uder)
- Johannes von Gevere (Gebra)
- Hugo von der Mark und weitere Anwesende.
Geschehen im Jahre des Herrn 1204, am 6. Januar.
Was haben sie gemacht? Nichts weiter als das, was die Bauersleut in der damaligen Zeit immer gemacht haben. Wenn eine Gegend nicht mehr genügend Erträge brachte, wenn es „unwirtlich“ war, dann wurde neues Land gerodet und dort weiter gewirtschaftet, wo bessere Bedingungen waren, die Erträge reichhaltiger ausfielen. Wintzingerode entstand. 1204 wird es erstmals als „Werovendingeroth“ in dem Oben aufgeführten Schreiben erwähnt. Natürlich waren sie nach wie vor Bauern, rodeten und bestellten sie doch das Land, leisteten sie Frondienste und bauten „ihr Dorf“ auf. Und doch waren sie nun Bürger. Der Begriff „Bürger“ leitet sich aus der Tatsache ab, dass Menschen, die im Umfeld einer Burg wohnten und arbeiteten, als solche bezeichnet wurden. Sie waren das „Burgvolk“. Es ist aber ebenso möglich, dass der Bodenstein zu Anfang des 10. Jahrhunderts von König Heinrich I. (dem Vogler) als Reichsburg zum Schutze gegen die einfallenden Ungarn ausgebaut wurde. Und eben diese „Burg“ brauchte auch „Volk“, die sie erbauten. Das bedeutete nichts anderes, als das Leute hier angesiedelt werden mussten, die durch Frondienste – weil sie ja Halbfreie und Leibeigene waren – die Burg errichteten. Aber auch freie Bauern waren zu Diensten verpflichtet. Was lag also näher, als die Leute von Witzungen hierher zu holen, „wohnten“ sie doch gleich um die Ecke. Auch das wäre eine der Möglichkeiten der eigentlichen Entstehung und Besiedelung unseres Ortes.
Leider kann eine urkundliche Ersterwähnung erst für 1204 nachgewiesen werden, was wohl auch daran liegen mag, dass durch viele Kriegswirren so manche Dokumente abhanden gekommen sind bzw. vernichtet wurden. Die Bewohner von Wintzingerode mussten, so verlangt es aus heutiger Sicht eigentlich die Logik, freie Herren (Bauern) gewesen sein. Sie waren keine Halbfreien und erst recht keine Leibeigenen gewesen. Sie hatten einen Herren und waren nur ihm hörig (Untertan), nur dem König, oder einem entsprechenden Reichsfürsten der unmittelbar dem Kaiser unterstand. Er – der von Wintzingerode, der Winzo – war mit hoher Wahrscheinlichkeit der ‚Vorstand’ einer Familie – Sippe – zu der noch ‚Hörige’, ja auch Leibeigene gehörten. Fakt ist jedoch, dass die Freiherren von Wintzingerode, später Grafen, zu den ältesten Adelsgeschlechtern des Eichsfeldes gehörten, und mit dem Dorf Wintzingerode belehnt wurden.